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Das Schweizer Parlament hat als oberste Gewalt im Bund wieder das politische Zepter übernommen. Ein Blick in die BernExpo, wo sich die Volksvertreter zum ersten Corona-Sessionstag treffen.

Vollbepackt mit Koffer und Rucksack: So präsentiert sich der St. Galler SVP-Nationalrat Mike Egger kurz vor acht Uhr morgens am Zürcher Hauptbahnhof. Der Jungpolitiker ist auf dem Weg nach Bern zur ausserordentlichen Session des Parlaments. Das Programm ist vollgestopft, die Ausgaben, die wohl beschlossen werden, milliardenschwer. 

Er sagt auf der Zugfahrt mehrmals «unglaublich», als er mit dem Journalisten über die Traktandenliste spricht. Unglaublich wegen der Kosten, unglaublich wegen der historischen Bedeutung der Session. Dazwischen klingelt immer wieder das Handy. Mal ist es ein Anruf, mal ist es eine Nachricht aus dem «WG-Chat». Egger wohnt seit einem halben Jahr in einer «Polit-WG» zusammen mit den Nationalräten Franziska Ryser(Grüne/SG) und Andri Silberschmidt (FDP/ZH).

Alle drei haben sich bereit erklärt, sich als Jungpolitiker im Sessionsalltag von watson begleiten zu lassen – unter Einhaltung der Distanzregeln. Wer sich auf eine Home Story freut: Die gibt es nicht. Einerseits, weil die Corona-Sessionstage «open end» angesetzt sind und bis spät in den Abend andauern. Andererseits, weil man sich auf einen gemeinsamen «WG-Znacht ohne Journis» freut.

Die Session ist eröffnet!

Die Session wird streng – obwohl sie nur drei bis vier Tage andauert. Der parlamentarische Marathon begann bereits vor Wochen: Sitzungen der Kommissionen und Fraktionen standen auf der Agenda. Mal digital, wie es Silberschmidt am Samstag erlebte, Mal mit einer Teil-Niederlage, wie Egger berichtet, der eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) zur Corona-Krise forderte.

Punkt zehn Uhr greift die Nationalratspräsidentin Isabelle Moret (FDP/VD) zur Glocke. Sie eröffnet die Session mit einer Rede, in der sie zusammenfasst, was die Schweiz in den Corona-Wochen davor erlebte. Sie gedenkt den Verstorbenen, sie dankt dem Volk im Namen des Parlaments für den Bürgersinn und sagt dann in allen vier Landessprachen «Alle vereint! Alle solidarisch!».

Im Nationalratssaal im zweiten Stock gibt es dafür mehrfach Applaus. «Die Stimmung ist ruhig, konzentriert, auch etwas zurückhaltend», schreibt die Grüne Nationalrätin Ryser. Auffällig für sie: «Fast alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier bleiben vorerst aber an ihren Plätzen, es gibt kaum Zwischengespräche oder Absprachen.»

«Alle vereint! Alle solidarisch!»

Nationalratspräsidentin Isabelle Moret (FDP/VD)

Drei Etagen weiter unten versuchen Medienschaffende im Keller der Eröffnungsrede zu folgen. Betonung auf «versuchen»: Die Technik streikt mehrmals, die Plätze sind limitiert und werden fremdbesetzt, wenn man kurz einen Kaffee holt. «Es ist vieles handglismet!», stellt eine Journalistin fest. Ein weiterer beschwert sich gar bei den Parlamentsdiensten.

Debatte nicht nur für «die Galerie»

Warum braucht es überhaupt eine «Corona-Session»? Die Antworten dazu kann hier nachgelesen werden. Die Debatte am ersten Tag zeigte dann auch, dass das Parlament nicht bloss «für die Galerie» diskutierte. Die Liste mit allen beschlossenen Entscheiden lag zwar am frühen Montagabend noch nicht vor – die Diskussionen ausserhalb von National- und Ständeratssaal drehten sich aber allesamt um aktuelle Themen.

Läuft man durch die Gänge und Vorplätze, hört man mehrfach den Namen von Bundesanwalt Michael Lauber. Ihm droht nach der gescheiterten Fifa-Ermittlung das Amtsenthebungsverfahren. Nächste Woche wird dies vermutlich in der Gerichtskommission diskutiert.

Die Session wird auch von der Polit-WG «genutzt»: So berichtet FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt, dass er einen Vorstoss «zu einem nicht-Covid-Thema» mitunterzeichnen konnte. SVP-Nationalrat Mike Egger trat bereits am Montagmorgen früh auf, um sich kritisch über das CO2-Gesetz zu äussern. Die Grüne Nationalrätin Franziska Ryser setzte sich dafür ein, dass es eine Flugticket-Abgabe im Rahmen der «Milliarden-Rettung der Fluggesellschaften» gibt.

Nebenschauplätze

Draussen auf dem Vorplatz: Zu sehen war dort eine handvoll Demonstrantinnen und Demonstranten. Die Polizei schickte sie gestützt auf die Corona-Verordnung weg. Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran – wegen der Immobilien-Branche bereits wütend (siehe Video) – beobachtete dies und stauchte so gleich einen Ordnungshüter zusammen. Man solle doch bei der Versammlungsfreiheit Vernunft walten zu lassen, sagte sie dem Polizisten.

Das Catering. Offiziell gab es den ganzen Tag lang keine Pause. Nichts. Für die Verpflegung der Volksvertreter war trotzdem gesorgt: Es gab Café und Gipfeli und Penne Tricolori mit mediterranem Gemüse (ohne alkoholische Getränke). Kostenpunkt pauschal 30 Franken (tägliche Mahlzeitentschädigung beträgt 115 Franken). Gegessen werden konnte an «Verpflegungsstationen» (Einzeltische mit zwei-Meter-Abstand; aufgebaut gemäss BAG-Richtlinien) – genutzt wurden sie aber kaum. Viele gönnten sich ein bisschen frische Luft unter fast strahlend blauem Himmel. «Um die Kolleg*innen wieder einmal live zu sehen», wie Ryser sagt.

Social Distancing: Wurde grösstenteils eingehalten. Einzelne Küsschen zur Begrüssung wurden beobachtet, dem Journalisten dieses Artikels musste einmal zurecht der Handschlag verweigert werden. Was im Ratssaal selbst passierte, ist unklar: Es gab keine Pressetribüne. Ein Foto eines Fotografs zeigt jedoch, dass wohl im Sinne des «Social Distancings» auch zum Feldstecher gegriffen wurde. Die Rednerinnen-Pulte wurden zudem nach jedem Gebrauch gereinigt.

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