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Der Bund wollte in der Krise rasch helfen. Nun profitieren davon auch Selbstständige, welche die Hilfe gar nicht mehr zugute hätten. Ob die Behörden wieder Gesuche prüfen müssen, entscheidet bald das Parlament.

von Dominik Feusi

Ob Coiffeusen, Taxifahrer oder Therapeuten: Zwar läuft die Wirtschaft noch nicht ganz rund, aber der Lockdown ist je nach Branche seit drei oder vier Monaten vorbei. Und trotzdem zahlt der Bund weiter den Corona-Erwerbsersatz für Selbstständige. Selbst wenn diese wieder normal arbeiten, bekommen sie bis zu 196 Franken am Tag aus der Erwerbsersatzordnung. Im Unterschied zur Kurzarbeitsentschädigung mussten die Gesuchsteller nicht einmal belegen, wie gross der Ausfall genau ist. Dies berichtete der «Blick» am Freitag. Insgesamt hat die Massnahme den Bund bis jetzt 563 Millionen Franken gekostet, bis Mitte September wird es rund eine Milliarde Franken sein.

Vor den Sommerferien verlängerte der Bundesrat die Massnahme bis Mitte September. Und damit auch automatisch die Zahlungen an alle, die sich bis dahin bei der Ausgleichskasse gemeldet hatten. In Zürich allein sind das 31’000 Personen, in der ganzen Schweiz gingen 64’000 Gesuche ein. Wer den Erwerbsersatz nicht braucht, der wurde in einem Brief der Ausgleichskasse aufgefordert, sich zu melden und auf die Zahlung zu verzichten. Nur macht das fast niemand. Andreas Dummermuth, Präsident der Konferenz der kantonalen Ausgleichskassen, schätzt, dass nur rund fünf Prozent auf die weitere Zahlung verzichtet haben. 

«Konkurswelle verhindert»

«Der Bundesrat wollte in der Krise rasch helfen», erklärt Dummermuth, «deshalb hat er beschlossen, das Geld schnell und ohne Prüfung auszuzahlen.» Das führe nun dazu, dass auch Leute Geld bekämen, die es nicht brauchten. Aber die Summe sei begrenzt, und zum Zuge komme nur, wer mehr als 10’000 Franken und weniger als 90’000 Franken verdiene. Es sei daher nicht widerrechtlich, wenn ein Selbstständiger sich nicht freiwillig abmeldet, wenn das Geschäft wieder anspringt.

Die Alternative wäre gewesen, jedes Gesuch bei den Ausgleichskassen zu prüfen. «Dann hätte sich aber auch die Auszahlung um Wochen, vielleicht Monate verzögert», sagt Dummermuth, «und genau das wollte der Bundesrat verhindern.» Diese unbürokratische Hilfe möge für manche stossend sein, «aber wir haben damit den Zusammenbruch der Schweizer Wirtschaft und eine Konkurswelle verhindert», findet Dummermuth. 

«Viele wissen gar nicht, dass sie auf das Geld verzichten sollten.»

Andri Silberschmidt, Nationalrat FDP, ZH

Trotzdem fordern Politiker, dass der Bund in Zukunft genauer hinschaut. «Nach der Aufhebung des Lockdown hätte der Bundesrat die Massnahme nicht mehr einfach so verlängern sollen», sagt der Zürcher FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt. Mindestens hätten sich alle noch einmal neu anmelden und belegen müssen, dass sie nicht arbeiten könnten und deshalb die Unterstützung brauchten. Schliesslich könne man jeden Steuerfranken nur einmal verteilen. «Und so wie der Bund jetzt vorgeht, besteht die Gefahr, dass die Hilfe nicht bei denjenigen ankommt, die sie tatsächlich brauchen», gibt Silberschmidt zu Bedenken. Die schnelle Hilfe findet er in Ordnung. Das Problem sei die automatische Verlängerung durch den Bundesrat im Notrecht, findet Silberschmidt. «Viele wissen gar nicht, dass sie auf das Geld verzichten sollten.» 

Behörden sollen in Zukunft kontrollieren

Sollte die Massnahme jetzt noch einmal verlängert werden, so fordert Silberschmidt, dass Gesuche ordentlich geprüft werden. Im Corona-Gesetz, das der Bundesrat zuhanden des Parlaments verabschiedet hat, will sich der Bundesrat allerdings eine Vollmacht für weitere Verlängerungen geben. Von Gesuchen und Kontrollen ist nicht die Rede. Andri Silberschmidt will deshalb in der Sozialkommission einen Antrag stellen, dass die Behörden in Zukunft Geld nur noch auszahlen, wenn die Hilfe wirklich gebraucht wird. 

Ähnlich sieht es Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Gewerbeverbandes. «Die Hilfe war nötig», findet er. Der Gewerbeverband habe sich schon vor dem Lockdown dafür eingesetzt. «Aber ebenso nötig ist nun, dass die Behörden wieder genau hinschauen, wer unterstützt wird.» 

Schon bei der Verlängerung des Erwerbsersatzes hätte der Bundesrat wieder beschliessen müssen, dass nur auf Gesuch Geld ausbezahlt werde. Bigler findet, die Ausgleichskassen sollten auch im Nachhinein Zahlungen überprüfen, wenn sie Auffälligkeiten feststellten. 

Auch die designierte SP-Co-Präsidentin und Zürcher Nationalrätin Mattea Meyer betont gegenüber dem «Blick», dass Selbstständige, die das Geld nicht mehr brauchten, sich melden müssten. Für sie ist aber gleichzeitig klar, dass die Massnahme für alle anderen verlängert werden müsse.

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