cropped-Andri-Silberschmidt-Logo-00AEEF.webp

Nach dem wuchtigen Nein zur privaten E-ID wollen Gegner und Befürworter rasch eine staatliche Lösung realisieren. Doch so einfach ist das gar nicht.

von Christoph Lenz

Es rauscht. Es pfeift. Das Bild wackelt. Gesprächsfetzen schneiden von irgendwoher in die Leitung. Aber für einmal verdreht niemand die Augen, klinkt sich niemand aus. 

Als sich die Kämpfer gegen die E-ID am Sonntagnachmittag um 13.45 Uhr zu einer Videokonferenz versammeln, ist der allgemeine «Zoom-Überdruss» ganz weit weg. Jetzt will jeder dabei sein. 65 Prozent Nein, lautet zu diesem Zeitpunkt die Hochrechnung von GFS. Ein schier unglaublicher Wert. 

Daniel Graf, Kampagnenführer und Pionier der digitalen Demokratie, tut, was er selten tut. Er ringt um Worte. «Das ist nicht nur ein Abstimmungssieg. Das ist ein Anfang von etwas Neuem», sagt er.

Im Gruppenchat postet ein Nutzer drei Champagnerflaschen-Emoticons. Siegestaumel in Zeiten von Corona.

Ein Nein mit Ausrufezeichen

Es ist aber auch ein denkwürdiger Sonntagnachmittag: Das E-ID-Gesetz, das im Parlament lange Zeit kaum Aufmerksamkeit, geschweige denn Widerstand erfuhr, wird wuchtig verworfen. Von 64,4 Prozent der Stimmbürger. Und von allen 26 Kantonen. 

Wie die Tamedia-Nachwahlbefragung zeigt, überwog das Nein in allen Altersgruppen, in allen Einkommensklassen und in fast allen Parteien. Einzig die FDP-Wähler sagten knapp Ja zur privaten E-ID, bei der der Staat nur die Anbieter beaufsichtigt und reguliert. 

So deutlich ist dieses Ergebnis, dass Politiker beider Lager schon am Sonntagnachmittag die oft schwierige Phase der Resultatanalyse zielstrebig verlassen. «Fast zwei Drittel der Stimmbürger wollen eine staatliche E-ID. Das gilt es zu akzeptieren», sagt SVP-Mann und IT-Unternehmer Franz Grüter. Ganz ähnlich tönt es beim Freisinnigen Andri Silberschmidt, der sich ebenfalls stark für die private E-ID engagiert hatte. Widerstand? Zwecklos. 

Die Ideen gehen dabei in zwei Richtungen, wie Min Li Marti erklärt. Zum einen wolle man dem Bundesrat den Auftrag erteilen, eine staatliche E-ID herauszugeben, die auf den Prinzipien der Datensparsamkeit und des Privatsphärenschutzes aufbaue. «Das waren unsere Kernbotschaften im Abstimmungskampf», sagt Marti. «Jetzt wollen wir den Bundesrat darauf verpflichten.» 

Zum anderen regen sie und ihre Mitstreiter an, dass der Bund prüft, ob die neue Identitätskarte, die in rund zwei Jahren erscheinen wird, mit einem Chip versehen werden könnte. Das würde erlauben, dass die physische Identitätskarte das Trägermedium für die E-ID wird.

Dieses Vorgehen birgt aber gewichtige Nachteile, wie schon jetzt zu hören ist. Weil viele Bürger ihre Identitätskarte nicht schon in zwei Jahren wechseln, sondern erst, wenn die jetzige abgelaufen ist, würde es Jahre dauern, bis sie Zugang zur E-ID-Funktion haben und sich diese E-ID auch wirklich etablieren könnte. 

Womöglich überwiegen letztlich doch die Vorteile einer Lösung, die nicht von einer bestimmten Trägertechnologie abhängig ist. Inwiefern der Staat hier auf die Unterstützung von privaten Technologiefirmen zurückgreifen soll, erscheint momentan unklar.

Auch Keller-Sutter macht Druck

Doch im Grundsatz sprechen sich auch Franz Grüter und Andri Silberschmidt für eine staatliche E-ID aus. «Ich bin einfach überzeugt, dass es für die Schweiz wichtig ist, dass man sich im digitalen Raum sicher bewegen und identifizieren kann», sagt Grüter.

Gegner wollen Schwung nutzen

Wie aber soll die Schweiz nun rasch zu einer staatlichen E-ID kommen? Die Sieger vom Abstimmungssonntag wollen in den nächsten Tagen im Parlament erste Pflöcke einschlagen. Eine Gruppe um Min Li Marti (SP), Jörg Mäder (GLP) und Gerhard Andrey (Grüne) bereitet zwei Vorstösse vor und sondiert derzeit noch bei Bürgerlichen nach möglichen Unterstützern.

Silberschmidt pflichtet dem bei, glaubt jedoch nicht, dass diese E-ID schon in Bälde verfügbar sein wird. «Wir dürfen uns keine Illusionen machen: Es wird Jahre dauern, diese vollstaatliche E-ID zum Fliegen zu bringen.» Aber auch er wolle das Seinige dazu beitragen. 

Justizministerin Karin Keller-Sutter reichte den Abstimmungssiegern am Sonntagabend ebenfalls die Hand. Schon in den nächsten Wochen wolle sie ein Aussprachepapier zum weiteren Vorgehen in den Bundesrat bringen und anschliessend «im Dialog mit dem Parlament» eine tragfähige Lösung für eine elektronische Identität finden. 

zum Artikel

Ihre Anmeldung konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Ihre Anmeldung war erfolgreich.

Andri Silberschmidts PolitUpdates

Melden Sie Sich zu meinen «PolitUpdates» an und bleiben Sie auf dem Laufenden.