Liebe Absolventinnen und Absolventen
Geschätzte Lehrpersonen, Eltern, Angehörige und Freunde
Sehr geehrte Damen und Herren
Herzliche Gratulation, liebe Absolventinnen und Absolventen. Heute feiert Ihr alle das Erreichen eines wichtigen, persönlichen Meilensteins. Dazu gratuliere ich ganz herzlich. Der Erhalt des Diploms ist ein Grund zur Feier und ich wünsche bereits jetzt – auch nach dem offiziellen Teil – eine tolle Party mit Euren Familien und Freunden. Ihr alle dürft richtig stolz auf Euch sein.
Heute ist auch ein Moment, dankbar zu sein. Viele Menschen haben Euch in den letzten Jahren unterstützt – sei dies aus der Familie, aus der Schule oder aus der Wirtschaft. Unser Bildungssystem funktioniert auch deshalb so gut, weil neben den fleissigen, meistens interessierten Schülerinnen und Schüler auch ganz viele Menschen um uns herum Zeit und Freude aufwenden, uns zu begleiten, kritisch zu hinterfragen und zu unterstützen. All diesen Menschen gilt heute unser Dank.
Euer Diplom steht stellvertretend für einen wertvollen Schlüssel, der zur Öffnung von vielen verschiedenen Türen verwendet werden kann.
Ihr habt nun einen Schlüssel für den Zugang zu einer grossen Anzahl an Aus- und Weiterbildungen. Ich weiss: Am heutigen Tag denken wohl die wenigsten an eine nächste Ausbildung. Das lebenslange Lernen ist aber Realität. Das hat zur Folge, dass es nicht ein Stadium gibt, in welchem man nichts mehr lernen wird. Im Gegenteil: Umso mehr man weiss, desto höher ist auch das Interesse für Neues.
Auch ich persönlich profitiere vom Schweizer Bildungssystem: Mit 18 Jahren habe ich die Berufslehre abgeschlossen. In den letzten 11 Jahren war ich während 8 Jahren in einer Aus- oder Weiterbildung. Währenddessen habe ich stets mindestens in einem 80%-Pensum gearbeitet.
Die Schweiz bietet eine einzigartige Vielfalt an Aus- und Weiterbildungen. Ihr habt es nun selbst in der Hand, davon Gebrauch zu machen. Und ich rate Euch, das lieber früher als später in die Hand zu nehmen. Denn wenn man sich zu lange nicht weiterbildet, wird es umso schwieriger, wieder einzusteigen.
Ihr habt nun auch einen Schlüssel für den Zugang zu verschiedenen offenen Stellen im Arbeitsmarkt. Dank Eurer Berufserfahrung seid ihr gefragte Personen. Wir befinden uns in einer Zeit, in welcher die Arbeitskräfte in der Schweiz fehlen. Es sind zehntausende Stellen offen und die Arbeitslosenquote ist auf einem sehr tiefen Niveau.
Ein Grund ist die demografische Entwicklung: Es gehen mehr Personen aus dem Arbeitsmarkt aufgrund ihrer Pensionierung als dass junge Menschen nachkommen. Das ist für Euch ein Vorteil. Ihr werdet eine grosse Auswahl an offenen Stellen antreffen und auch etwas die Qual der Wahl haben.
Natürlich wird es nicht für alle gleich einfach sein, eine Anschlusslösung zu finden. So möchte ich Euch ermutigen, mutmassliche Rückschläge im Bewerbungsprozesse nicht als Niederlage zu verstehen. Nur wer auch einmal scheitert, lernt Neues dazu. Auch das gehört zum Lernprozess.
Leider haben wir in der Schweiz keine gesunde Kultur des Scheiterns. Es wird immer noch zu viel gezweifelt und lamentiert, wenn jemand scheitert. Dabei ist es viel lehrreicher, Geschichten über das Scheitern zu hören. Denn das sind Erfahrungen, die einem helfen, ähnliche Fehler zu vermeiden.
Mein Wunsch an alle heute Anwesenden ist: Sprechen Sie mehr über Fehler, über Dinge, die Ihnen nicht gelungen sind. Verletzlichkeit ist Stärke und macht uns als Menschen, aber auch als Gesellschaft, widerstandsfähiger und schlussendlich erfolgreicher.
Gleichzeitig sollen wir aber auch das Positive hervorheben und jemanden loben, wenn er oder sie etwas gut gemacht hat. Das zeigt Wertschätzung und motiviert.
Ihr habt nun auch einen Schlüssel für das Tor in die weite Welt. Mit dem Abschluss der Ausbildung habt ihr die Grundbildung erfolgreich absolviert. Es steht nichts im Wege, auch einmal eine Pause einzulegen und die Welt zu entdecken. So sehr ich den Alltag in der Schweiz liebe, so wichtig ist es, gerade in jungen Jahren, rauszugehen und Neues zu erleben und zu entdecken. Zögert also nicht lange, wenn es euch reizt, einen neuen Ort, einen neuen Beruf oder eine neue Sprache kennen zu lernen. Nur durch das Ausprobieren von Neuem lernen wir uns und unsere Stärken noch besser kennen.
Der Schlüssel, den ihr nun in der Hand habt, ist sehr wertvoll. Denn das wirtschaftliche Grundwissen, welches ihr erlernt habt, ist Gold wert. Keine künstliche Intelligenz wird damit mithalten können.
Vieles, was ihr in den letzten Jahren gelernt habt, ist für Euch mittlerweile wohl selbstverständlich. Aber ich kann Euch versichern: Es gibt viele Menschen, die wenig mit Zahlen, wenig mit Buchhaltung und wenig mit der Handelslehre zu tun haben. Diese Menschen haben viele andere Begabungen, aber nicht die, welche ihr besitzt. Macht somit Gebrauch von dem, was ihr erlernt habt. Es ist eigentlich egal, ob ihr in Zukunft in einer Bank, in einem Spital, als Yoga-Ausbildner, in einer IT-Firma arbeitet oder ein Startup gründet. Das wirtschaftliche Grundverständnis ist viel Wert.
Wem das wirtschaftliche Grundverständnis fehlt, der hat eher Mühe, eine Idee wirtschaftlich nachhaltig aufzustellen. Und bei aller Sympathie für kreative Lösungen, fürs einfach drauflosarbeiten: Wenn eine wirtschaftliche Grundlage fehlt, ist eine Idee früher oder später zum Scheitern verurteilt.
Wirtschaften heisst auch Wert schaffen. Umso näher man dabei am Markt, am Kunden ist, desto einfacher wird es einem fallen, das Produkt so auszurichten, dass es auch gekauft wird. Wert bemisst sich aber nicht nur am Umsatz und Gewinn, wobei beides wichtig und entscheidend für ein gesundes Unternehmen ist. Wert bemisst sich auch am Vertrauen, das man erhält und gib, an der Zusammenarbeit untereinander und an der Kreativität, gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Lösungen sind ohnehin ein gutes Stichwort, verbringen wir in der Tendenz doch eher zu viel Zeit mit dem Umschreiben von Problemen.
Ihr habt den Schlüssel für viele Türen in der Hand. Aufstossen müsst ihr die Türen jedoch selbst. Meine Erfahrung in den letzten Jahren hat mich gelehrt, dass viel zu viele zu lange über Entscheide nachdenken und sich nicht durchringen können. Entscheiden ist hingegen etwas Schönes. Man klärt damit offenen Fragen und startet den Weg in eine bestimmte Richtung. Man endet dann oft nicht an dem Ziel, welches man zu Beginn avisiert hat. Aber allein das Einschlagen in eine bestimme Richtung gibt einem einen Fokus, der wichtig ist, um auch Wirkung zu erzielen.
Es ist alles anderes als schlimm, wenn man unterwegs eine Standortbestimmung vornimmt und die Richtung etwas ändert. Denn man lernt unterwegs auch Neues dazu und es wäre eine Verschwendung, dieses zusätzliche Wissen nicht zu verwenden. Hadert also auch nicht lange, wenn ihr denkt, vergangene Entscheide waren nicht die Richtigen. Ihr könnt sie nicht mehr ändern. Korrigiert den Weg, schaut nach vorne, seid mutig und geht in die Richtung, welche Euch auch Freude bereitet.
Denn bei allen Optionen, Gedanken und Erfahrungen ist die Freude das, was den Unterschied ausmachen kann. Wer einen Weg mit Freude, Geduld und Fokus geht, der wird am Schluss reüssieren.
So, genug mehr oder weniger kluge Worte für heute. Ich wünsche Euch nun einen grossartigen Tag, eine super Feier und gratuliere nochmals herzlich zu Eurem Abschluss.