cropped-Andri-Silberschmidt-Logo-00AEEF.webp

«Wir müssen das Unternehmertum stärken»

Am 22. Oktober wird das Parlament neu bestellt: Esther Friedli kämpft um ihre Wiederwahl – genau so wie Andri Silberschmidt für den Nationalrat.

Das GastroJournal hat Sie als neu­ gewählte Nationalräte im Oktober 2019 zum Gespräch getroffen. Wie oft haben Sie sich seither ausgetauscht?

Andri Silberschmidt: Wir sehen uns regelmässig, vor allem im Bundeshaus und in gemeinsamen parlamentarischen Gruppen. Jetzt stellt sich die Frage, wie sich das verändert, seit Esther im Ständerat sitzt.

Esther Friedli: Tatsächlich habe ich etwas weniger Kontakt zu den Nationalräten, seit ich im Frühling in den Ständerat gewählt worden war. Aber wir sind beispielsweise gemeinsam in der Gruppe zur Förderung von Start-ups, in der ­Andri sehr aktiv ist. Die Förderung von Unternehmertum gehört zu unseren gemeinsamen Zielen.

Sie politisieren in verschiedenen Parteien, wobei die FDP kritisiert wird, wenn sie eine Listenverbindung mit der SVP eingeht.

Esther Friedli: Eine Listenverbindung ist eine Möglichkeit, Stimmen zu bündeln, was die Links-Grüne-Seite konsequent macht. Deshalb begrüsse ich, wenn wir das im bürgerlichen Lager ebenso umsetzen. In den vergangenen Wahlen wären rund 15 Sitze nicht zu links-grün gegangen, wenn wir uns im bürgerlichen Lager verbunden hätten. Letztlich muss jedoch jede Kantonalpartei entscheiden, ob sie diesen Weg gehen möchte.

Andri Silberschmidt: Ich sehe das auch so: Solange es Listenverbindungen gibt, muss man sie ausnützen. Sonst verliert das bürgerliche Lager. Ich finde es speziell, wie die Medien werten: Wenn die Grünliberalen beispielsweise mit den Juso paktieren, gibt es darüber keinen Artikel. Wenn die FDP mit der SVP in einzelnen Kantonen eine Listenverbindung eingeht, wird das als böse eingeschätzt. Ich bin überzeugt, dass das bei den Bürgern auf der Strasse kein grosses Thema ist.

Was ist denn das grosse Thema bei den Bürgerinnen und Bürgern?

Andri Silberschmidt: Umfragen zeigen, dass die Krankenkassenprämien und die wirtschaftliche Unsicherheit die Menschen beschäftigen. Der Wohlstand gehört zu den Kernthemen der FDP.

Esther Friedli: Als Gastronomin und Gastgeberin bin ich nah bei den Menschen und erfahre viel, was die Leute wirklich beschäftigt. Die stark steigenden Kosten im Gesundheitswesen gehören dazu, aber auch die Sicherheit auf der Strasse und die unkontrollierte Zuwanderung im Asyl­bereich, die zu Problemen führt, weil hauptsächlich junge Männer in die Schweiz kommen. Zudem will der Staat immer mehr Regeln aufstellen. Ich stehe für eine Stärkung der Eigenverantwortung und der Freiheit ein. Als Unternehmerin möchte ich politische Rahmenbedingungen, sodass ich mich so gut wie möglich selbst entfalten kann.

Vor vier Jahren haben Sie in Bern Ihre politische Arbeit gestartet. Was war in Ihrer Legislatur der grösste Erfolg und was die grösste Enttäuschung?

Andri Silberschmidt: Ein schöner Erfolg ist meine vor 3,5 Jahren eingereichte parlamentarische Initiative, bei der Unternehmer ebenfalls Arbeitslosenanspruch erhalten, wenn sie vorher eingezahlt haben. Die zuständige National- und Ständeratskommission hat diesen Vorschlag angenommen. Er geht nun in die Vernehmlassung. Es kann doch nicht sein, dass Unternehmer 20 Jahre lang Beiträge in die ALV einzahlen müssen, und wenn sie ohne Job sind, erhalten sie nichts. Meine persönliche Enttäuschung ist: Es gibt keinen Gegenvorschlag zur Renteninitiative, die im März 2024 vors Schweizer Stimmvolk kommt. So ist die soziale Sicherheit im Alter nicht sichergestellt. Wir sollten die AHV dringend strukturell sanieren.

Esther Friedli: Ich war fast 3,5 Jahre im Nationalrat, jetzt im Ständerat. Als Mitglied der nationalrätlichen Wirtschaftskommission war unser Hauptfokus während der Coronakrise auf die wirtschaftliche Abfederung gerichtet. Ich habe beispielsweise durchgebracht, dass jene mit den tiefsten Einkommen bei der Kurzarbeit nicht 80, sondern 100 Prozent erhalten. In dieser Zeit habe ich das erste Mal realisiert, wie wichtig es ist, dass wir im Parlament Politiker haben, die in der Arbeitswelt tätig sind. Ich spürte die Auswirkungen der Massnahmen im eigenen Betrieb und konnte daher viel einbringen. Meine Enttäuschung war, dass das bürgerliche Lager viel weniger gut zusammenarbeitet als die links-grüne Seite, die im Nationalrat bei den Abstimmungen wie eine Wand auftritt. Im Ständerat funktioniert die Zusammenarbeit im bürgerlichen Lager zum Glück sehr gut.

Welches sind Ihre politischen Ziele in den nächsten vier Jahren  – Esther Friedli im Ständerat, Andri Silberschmidt im Nationalrat?

Andri Silberschmidt: Zu meinen wesentlichen Zielen ­gehört, die Bürokratie, welcher KMU ausgesetzt sind, zu reduzieren. Kleine Unternehmen können sich keinen Bürokratieapparat leisten. Hier gilt es, die Prozesse zu vereinfachen, das Gesetz zu entschlacken und die Digitalisierung voranzutreiben, damit die Unternehmer papierlos mit den Behörden kommunizieren können. Oft warten beispielsweise Gastrobetriebe monatelang auf eine Baubewilligung. Wenn Firmen investieren, schafft das Wohlstand sowie Arbeitsplätze und kommt somit uns allen zugute.

Esther Friedli: Wir müssen das Unternehmertum stärken und Vorschriften und Bürokratie abbauen. Hier muss sich das Parlament aber an der eigenen Nase nehmen, weil viele Parlamentarier sich ständig überlegen, was man zusätzlich regeln könnte. Ich bin zurückhaltend und lanciere bewusst nicht viele Vorstösse und arbeite lieber in den Kommissionen. Von links-grüner Seite will man zudem den GAV unterwandern mit neuen staatlichen Mindestlöhnen in den Städten. Die Linke will so quasi den Fünfer und das Weggli – vom Bundesrat anerkannte nationale Gesamtarbeitsverträge und staatliche Mindestlöhne. Dabei ist ein Erfolgsmodell der Schweiz die Sozialpartnerschaft. Das müssen wir bewahren.

Was sind für Sie die grössten Probleme der Schweiz?

Esther Friedli: Eine qualitativ hochstehende, aber trotzdem bezahlbare Gesundheitsversorgung, da sehe ich eine der grössten Baustellen. Ich bin neu in der Gesundheitskommission und arbeite mich intensiv in das Thema ein. Mir ist es ein Anliegen, dass wir die Gesundheitspolitik im Parlament von Partikularinteressen einzelner Lobby­organisationen lösen und uns auf das Gesamtsystem fokussieren. Zudem ist die Sicherstellung der Versorgungssicherheit mit Energie und Nahrungsmitteln ebenfalls ganz oben auf meiner Agenda. Gerade auch als Unternehmerin bin ich auf eine sichere und kostengünstige Energieversorgung angewiesen.

Andri Silberschmidt: Seit 1980 stellen die Menschen im arbeitsfähigen Alter die Mehrheit in diesem Land. In fünf, sechs Jahren ist hingegen nur noch eine Minderheit erwerbsfähig und die Mehrheit entweder in der Schule oder pensioniert. Das ist eine Herausforderung. Wie können wir so offene Stellen besetzen? Wie können wir die neue Generation motivieren, viel zu arbeiten? Wenn alle nur noch Teilzeit arbeiten möchten, können wir unser System nicht aufrechterhalten. Und ja, wir haben heute schon sehr hohe Kosten im Gesundheitsbereich, welche mit der Überalterung und dem zu erwartenden Ausbau der Pflegeleistungen weiter zunehmen. Die Politik muss Anreize schaffen, dass sich mehr arbeiten lohnt. Heute leiden Doppelverdiener unter der Progression und optimieren ihre Pensen.

Es ist Krieg in Europa. Wie soll die Schweiz reagieren?

Andri Silberschmidt: Die Schweiz soll bündnisfrei bleiben und sich weder der Nato noch der EU anschliessen. Gleichzeitig verurteile ich den Überfall Russlands auf einen souveränen Staat aufs Schärfste. Wir müssen mit unseren verfügbaren Mitteln helfen. Eine starke Möglichkeit ist, Sanktionen zu übernehmen. Ich finde es richtig, die Sanktionen mitzutragen, weil die Schweiz sonst eine Drehschreibe für Geld aus dem Kreml geworden wäre. Das könnte ich moralisch nicht vertreten. Wir dürfen nicht vergessen, dass nur 12 Prozent aller Menschen auf dieser Erde in einer liberalen Demokratie leben. Wir müssen uns deshalb mit Staaten arrangieren, die unsere Werte teilen. Letztlich muss der Westen zusammenstehen, ohne die Neutralität zu verletzen. Als Schweizer bin ich auch ein Europäer.

Esther Friedli: Ich verurteile einen Angriff auf einen souveränen Staat ebenfalls. Der Bundesrat hat sich aus meiner Sicht jedoch zu schnell nach Kriegsbeginn von der Neutralität und dem Einbringen von Friedensbemühungen verabschiedet, sodass die Schweiz nicht mehr vermitteln kann. Das bedaure ich sehr. Wir hätten eine wichtige Rolle spielen können, denn die meisten Kriege werden am grünen Tisch beendet. Biden und Putin haben sich letztmals in Genf mit dem damaligen Bundespräsidenten Parmelin getroffen. Die bewaffnete Neutralität ist ein wichtiger Kern unserer Identität. Die Schweiz soll sich wieder mehr auf ihre Stärken besinnen.

Welche Noten geben Sie dem aktuellen Bundesrat?

Andri Silberschmidt: Keine. Wir sind das Parlament. Es wäre ebenso vermessen, wenn uns der Bundesrat Noten gäbe. Ich habe Freude, wie Bundesrat Rösti gestartet ist und dass er das UVEK übernommen hatte, das jahrelang Mitte-Links dominiert war. Vorher wurden vor allem das Velo und der öV gefördert. Ich bin mit beidem unterwegs. Und jetzt trat Bundesrat Rösti an und sagt, es braucht alle Verkehrsmittel. Er ist nicht so ideologisch wie seine Vorgängerinnen und Vorgänger in diesem Bundesamt. Karin Keller-Sutter wiederum hat uns vor einer internationalen Finanzkrise bewahrte. Alles in allem ist es schön, dass Bundesräte in der Schweiz ohne Personenschutz frei herumlaufen können.

Esther Friedli: Ich bin ebenfalls gegen eine Benotung des Bundesrats. Wir haben die Aufgabe, die richtigen Leute im Bundesrat zu wählen. Sie sollen einen guten Job machen. Wir als Parlament müssen ihn beaufsichtigen. Der aktuelle Bundesrat ist viel besser aufgestellt als auch schon. Die Wahl von Albert Rösti ist ein Gewinn. Im kommenden Dezember hat das Parlament es in der Hand, einen neuen Bundesrat und einen neuen Bundeskanzler zu wählen, die nicht so ideologisch geprägt sind. Viel wichtiger ist es, dass die neuen Mitglieder der Landesregierung den Tatendrang haben, etwas für unser Land zu erreichen.

Sie sind im Gegensatz zu GastroSuisse für eine BVG-Reform, obwohl diese die Unternehmer Geld kostet. Wieso?

Andri Silberschmidt: Mit der Firma Kaisin haben wir rund 80 Mitarbeitende, eine grosse Mehrheit arbeitet in Teilzeitpensen. Die Reform wird auch uns mehr Geld kosten. Es geht aber um die Frage, ob wir nur noch einseitig die erste Säule stärken wollen. Ich möchte die Umteilung nicht noch weiter ausbauen, sondern die zweite Säule stärken, um den gewohnten Lebensstandard auch nach der Pension weiterführen zu können. Deshalb investiere ich als Unternehmer gerne in die Pension der Mitarbeitenden. Von allen Abzügen ist das die beste Investition. Wenn man diese Abzüge verteufelt, müsste man konsequenterweise das BVG abschaffen. Aber weil wir sozialen Frieden brauchen, ist das sicher keine Lösung.

Esther Friedli, was hat sich in Ihrer Politik geändert, seit Sie im Vorstand von GastroSuisse sind?

Esther Friedli: Ich kann noch mehr Brücken zwischen dem Gewerbe und der Politik bauen. Ich habe als Vertreterin von GastroSt. Gallen für den Vorstand von GastroSuisse kandidiert, weil es während der Pandemie zu wenig Verbindungen zwischen GastroSuisse und der Politik gegeben hatte. Grundsätzlich bleibe ich aber meinen Wählerinnen und Wählern verpflichtet und politisiere eigenständig.

Andri Silberschmidt, Sie sind ebenfalls Mitglied von GastroSuisse.

Andri Silberschmidt: Ich sehe das wie Esther: Gute Lösungen sind davon geprägt, eine Differenz auszutragen. Es wäre deshalb falsch, immer im Gleichschritt zu marschieren. Allerdings bin ich froh um die Arbeit, die von den Verbänden geleistet wird. Was GastroSuisse macht, ist enorm wichtig, weil die Betriebe kaum Zeit finden, alles zu bearbeiten, was in Bundesbern diskutiert wird. Dafür braucht es GastroSuisse.

Vor vier Jahren fragten wir Sie nach Ihren Lieblingsrestaurants. Was sind Ihre Neuentdeckungen?

Andri Silberschmidt: Das L’altro in Zürich ist ein klassisches italienisches Restaurant, das von einer griechischen Familie geführt wird. Die machen das hammermässig.

Esther Friedli: Ich bin immer wieder beeindruckt von Gastrounternehmen, die investieren und innovieren. Das Rössli in Tufertschwil in St. Gallen ist so ein Betrieb, der zudem die Arbeitsabläufe hervorragend optimiert hat. Das ist doch das, was Unternehmertum ausmacht.

Was braucht es, damit Sie sich in einem Betrieb wohlfühlen?

Esther Friedli: Ich sage meinen Mitarbeitenden stets, dass Freundlichkeit nichts kostet, aber dafür unbezahlbar ist. Wenn ich begrüsst und mit Freundlichkeit an den Tisch begleitet werde, ist für mich der Abend meist schon gerettet. Authentizität finde ich auch sehr wichtig. Wir versuchen, diese Tugenden in unserem Betrieb sehr bewusst zu leben.

Andri Silberschmidt: Neben der Freundlichkeit ist für mich die Sauberkeit sehr wichtig. Das beginnt beim Chef, der das vorlebt, und beim Betreten eines Betriebs und hört beim WC auf.

Ihre Anmeldung konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Ihre Anmeldung war erfolgreich.

Andri Silberschmidts PolitUpdates

Melden Sie Sich zu meinen «PolitUpdates» an und bleiben Sie auf dem Laufenden.