Wir machen einen Unterschied – Rede Kongress Jungfreisinnige Schweiz

es gilt das gesprochene Wort

Ich weiss nicht, wie es euch geht. Meine Kolleginnen und Kollegen fragen mich ab und zu, wieso ich Politik mache. Je nach Stimmung oder Uhrzeit fällt die Antwort dann anders aus, im Kern bleibt sie aber dieselbe: ich will, dass wir einen Unterschied ausmachen.

Im vergangenen Jahr haben wir gemerkt, was es heisst, wenn man einen Unterschied ausmacht. Mitunter dank unserem monatelangen Engagement gegen die ungerechte Reform der Altersvorsorge hat das Stimmvolk das Gesetz an der Urne abgelehnt. Das sage nicht ich, das sagen namhafte Vertreter aus Politik und Wirtschaft. Wir haben nicht nur eine unglaubliche interne Mobilisierung an den Tag gelegt, sondern auch den öffentlichen Diskurs geprägt. Auf dieses Resultat dürfen wir stolz sein.

Es ist uns allen klar, dass eine solche Abstimmungskampagne immer einzigartig ist und es kein fix-fertiges Konzept gibt, um entsprechende Erfolge zu wiederholen. Dennoch habe ich mir Gedanken gemacht, welche drei Faktoren ausschlaggebend waren.

Ich glaube es ging um Glaubwürdigkeit, Hartnäckigkeit und Engagement.

Glaubwürdigkeit: wir haben während der gesamten Debatte uns auf Zahlen und Fakten des Bundesamtes abgestützt und auf Übertreibungen verzichtet. Klar, spitzten auch wir Aussagen zu, um uns Gehör zu verschaffen. Wurden wir aber angegriffen, hatten wir stets eine Zahl oder Quelle zur Hand, um unsere Aussagen zu belegen.

Hartnäckigkeit: Im Mai 2017 starteten wir den Plan zur Kampagne gegen die ungerechte Reform. Juni und Juli waren Monate, wo wir im Hintergrund alles vorbereitet haben: das Fundraising, die Aktionen, Medienplanung und vieles mehr. Als wir dann inmitten der Sommerferien Anfangs August die Kampagne lanciert haben, war für uns klar, wann wir welche Elemente bringen werden. Keine Umfrage hat uns beirrt oder beeinflusst – wir haben unseren Plan von Mai bis September durchgezogen.

Engagement: als ich am Abstimmungssonntag gefragt wurde, ob das nun der emotionalste Tag der Kampagne sei, erwiderte ich: Nein. Alle Selfies, welche mich während den nationalen Aktionstagen erreicht haben, haben mich mindestens so stark berührt wie der Moment, als das Resultat klar war. Unser Engagement fand aber nicht nur auf der Strasse an einigen Samstagen statt, sondern auch in den sozialen Medien oder teils am Morgen vor der Arbeit. Wir haben aus Überzeugung in unserer Freizeit für ein berechtigtes Anliegen gekämpft. Auch darauf dürfen wir stolz sein.

Was nehmen wir aus dem Kampf nun mit? Die Jungfreisinnigen werden als wichtiger politischer Player wahr- und ernstgenommen. Dies hat zur Folge, dass wir noch mehr unter Beobachtung stehen. Wir müssen somit noch besser werden. Glaubwürdigkeit, Hartnäckigkeit und Engagement soll nicht einfach für eine Kampagne gelten, sondern soll unser tägliches Engagement begleiten.

Wir machen einen Unterschied.

Wir machen einen Unterschied, wenn es darum geht, wie die Politik mit den Auswirkungen der Digitalisierung umgeht. Dank tatkräftiger Unterstützung vieler anwesenden Jungfreisinnigen können wir am 10. Juni 2018 über das neue Geldspielgesetz abstimmen. Es liest sich, als sei es von einem Casino-Kartell verfasst worden: Netzsperre für legale Angebote aus dem Ausland, keine Chance für eine Online-Konzession. Das Gesetz hätte nicht nur eine digitale Abschottung vom Ausland zur Folge, sondern würde auch Schweizer Online Start-Ups unterbinden, ein Angebot auf den Markt zu bringen. Und das alles wäre ohne uns im Jahr 2018 grosse Chancen durchgewunken worden. Doch es geht nicht nur um Geldspiel, denkt beispielsweise an Buchungsplattformen wie Booking.com oder die ganze Taxi-Branche, die sich vehement gegen Erneuerung wehrt. Neue Unternehmen, welche die Arbeitsplätze und Wertschöpfung von morgen schaffen, haben in der heutigen Welt keine Lobby, sondern werden von den Verteidigern des Status Quo bekämpft.

Damit will ich nicht sagen, dass wir die Funktion einer einseitigen Interessenvertretung übernehmen wollen. Denn es kann uns am Schluss egal sein, welche Technologie oder Firma erfolgreich sein wird. Wichtig ist, dass die Rahmenbedingungen für alle klar sind, und der Gesetzgeber nicht aufgrund Partikularinteressen eine Technologie der anderen bevorzugt. In diesem Zusammenhang spreche ich oft von einer technologieneutralen Regulierung. Was heisst das? Der Regulator muss nicht einfach aufgrund des Aufkommens der Blockchain-Technologie alles auf den Kopf stellen und neue Regeln aufstellen, nein. Unsere Gesetzgebung soll so formuliert sein, dass unabhängig von der Technologie ein Rechtsrahmen besteht, worin man als Unternehmen prosperieren kann.

Wir wollen eine Diskussion über Sinn und Unsinn von Regulierungen hinsichtlich der technologischen Entwicklung lancieren. Dies gilt übrigens auch für Kryptowährungen, die wir neu als Spendenmöglichkeiten akzeptieren. Denn es gibt genug Politiker, die sonntags die Vorzüge von einer digitalen Wirtschaft predigen und dann am Folgetag im Parlament Vorstösse zum Durchbruch verhelfen, welche Partikularinteressen schützen.

Es ist nicht immer bequem, eine liberale Position zu vertreten. Doch ich bin der Überzeugung, dass häufig weniger Eingriffe durch die Politik sinnvoller sind und insbesondere die Schweiz attraktiv für Unternehmen machen, welche das Facebook oder Google von morgen sein können. Wir müssen die Ambition haben, dass solche Firmen zukünftig in der Schweiz gegründet und aufgebaut werden.

Dafür braucht es aber nicht nur eine offene Einstellung gegenüber der digitalen Entwicklung, sondern insbesondere auch ein offenes Mindset gegenüber Europa und der Welt. Klar ist die Kombination aus Berufs- und Hochschule weltweit spitze. Aber damit lösen wir den Bedarf nach Top-Shots nicht. Gerade als kleines Land sind wir noch wie vor auf den freien Warenverkehr und die Personenfreizügigkeit angewiesen. Es gibt nicht selten Fälle, wo junge Akademikerinnen und Akademiker ihren Abschluss in der Schweiz erlangen, aufgrund fehlender Kontingente aber nicht ihre Arbeit hier aufnehmen können. Das ist doch absurd!

Wir machen einen Unterschied, wenn wir EU-Turbos und Abschottungspolitikern die rote Karte zeigen. Denn wir zeigen insbesondere auf, wie gerade wir Jungen davon profitieren, wenn die Schweiz international verflechtet und offen gegenüber dem Fremden ist. Wir machen einen Unterschied, indem wir vor allem über das Potenzial und die Chancen sprechen, welche uns eine offene Schweiz bietet. Sei es die Attraktivität von grossen Unternehmen, hier Arbeitsplätze und Lehrstellen zu schaffen, oder die Möglichkeit, im Ausland studieren und arbeiten zu gehen, um nach ein paar Jahren mit einem gefüllten Rucksack wieder zurück in die Schweiz zu kommen. Wir machen einen Unterschied zu den Gleichschaltungspolitikerinnern und Politiker der JUSO und den Abschottungsträumern der JSVP und ich bin überzeugt, dass genau diese Haltung der heutigen, sehr differenzierten Jugend entspricht. Wir reden nicht einfach darüber, was der Staat noch alles tun könnte, sondern beschäftigen uns primär mit den Fragen, wie wir als Gesellschaft aktiver und agiler werden können, um selbst mehr zu tun.

Seit ich vor einem Jahr zusammen mit vier Freunden mich ins unternehmerische Abenteuer gestürzt habe, lerne ich tagtäglich neues dazu. Zu aller erst durfte ich erleben, dass nicht nur die Verwaltung viel unnötiges Papier produziert, sondern auch sämtliche andere Stakeholder, sei dies das Finanzinstitut, Lieferanten oder Berufsverbände. Doch was mich noch mehr überrascht hat – und dieses Mal im positiven Sinne – ist, wie viele innovative, junge Köpfe unser Land hat. Sie sind zwar wenig politisch interessiert und wissen daher nicht, wie nah ihre Forderungen an unseren Positionen sind, aber dies tut gar nichts zu Sache. Wenn wir nämlich vermehrt als Sprachrohr einer jungen Generation wahrgenommen werden, welche genau diesen Menschen eine Stimme gibt, werden wir als fortschrittliche Kraft wahrgenommen. Wir machen einen Unterschied, in dem wir den aktiven Jungen in der Gesellschaft genügend Platz schaffen, dass sie sich mit ihren Ideen entfalten können.

Doch unsere Politik richtet sich nicht nur an die Herausforderungen von heute, sondern auch an die von morgen. Wie eingangs erwähnt machen wir den Unterscheid, wenn es darum geht, die Folgen der Langlebigkeit bereits heute in der Politik zu diskutieren. Die Generationensolidarität liegt uns am Herzen. Deshalb sind wir nach wie vor der Meinung, dass unsere Sozialwerke rasch möglichst sozialverträglich und nachhaltig reformiert werden müssen. Es geht nicht an, dass die Politikerinnen und Politiker in Bundesbern, welche zum grossen Teil selbst Teil der Babyboomer Generation sind, ihre Rente ausbauen, und den Schuldenhaufen ungelöst uns übergeben. Denn die Mehrausgaben und Schulden von heute sind die höheren Steuern und Abgaben von morgen. Trotz oder gerade aufgrund unseres Erfolgs vom letzten September muss uns bewusst sein, dass wir nun auch in der Pflicht sind, mehrheitsfähige Lösungen mitzutragen. Dies grenzt uns ab von anderen Jungparteien, welche zwar laut sich zu Wort melden können, aber keine Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen.

Mit diesen Worten und nachdem wir nun auf die Themen Digitalisierung, Offenheit, Unternehmertum und Altersvorsorge eingegangen sind, will ich noch ein paar Worte Allgemeiner Natur verlieren.

Um weiterhin einen Unterschied auszumachen, müssen wir nicht nur darüber reden, sondern vor allem handeln. «Wir könnten» oder «man sollte» gehört der Vergangenheit an. Wir müssen mehr ausprobieren und experimentieren. Wer, wenn nicht wir, hat das Privileg, dass wir im Kleinen Ideen testen können und wenn sie gross rauskommen, voneinander zu lernen? Dies ist auch ein Appell an die Personen, welche immer genau wissen, wie man welchen Satz zu formulieren hat, aber bei Sammelaktionen oder sonstigen Veranstaltungen stets mit Abwesenheit glänzen.

Trotz oder genau wegen der Experimentierlust ist es wichtig, dass wir realistisch und pragmatisch zeigen. Extreme Lösungen oder Positionen sind zum Scheitern verurteilt. Das Privileg einer Jungpartei soll uns zwar die nötige Freiheit geben, frisch aufzutreten, aber wir müssen uns stets einem gewissen Realismus verschreiben.

Es ist mir wichtig, dass wir die Freude am Engagement behalten. Wir sind nicht die, welche sich über andere beschweren, sondern fragen stets, was wir machen können, dass der Status Quo besser wird. Mit Lust durchs Leben gehen erleichtert die eine oder andere Aufgaben.

Und was, wenn nicht der Kongress der Jungfreisinnigen Schweiz, soll uns allen die Lust und Freude geben, ein weiteres Jahr tag ein, tag aus für unsere Überzeugungen einzustehen und neue Altersgenossen damit anzustecken.

An dieser Stelle danke ich dem Generalsekretariat, dem Vorstand, dem OK des Kongresses und Euch allen, dass ihr das möglich macht, was wir mit den Jungfreisinnigen erleben dürfen. Wir machen den Jungfreisinn und wir machen einen Unterschied. Herzlichen Dank.

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