20.4467 – Alternierende Obhut. Wie wird der Wille des Gesetzgebers umgesetzt?

Einreichungsdatum: 14. Dezember 2020

Eingereichter Text

Ich bitte den Bundesrat um eine Stellungnahme zu folgenden Fragen:

  1. Hat der Bundesrat Kenntnis, wie viele solche (siehe Begründung) Anträge seit dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen bei den zuständigen Behörden eingegangen sind und welcher Anteil davon gutgeheissen wurde? Falls nein: Ist er bereit, eine systematische Erhebung zu veranlassen?
  2. Hat der Bundesrat Kenntnis, mit welchen Begründungen solche Anträge abgelehnt worden sind? Falls ja, mit welchen Begründungen wurden sie abgelehnt?
  3. Erachtet es der Bundesrat nicht als problematisch, wenn durch die Ablehnung solcher Anträge das anerkannte Recht des Kindes, mit beiden Eltern eine regelmässige Beziehung zu pflegen, in Frage gestellt wird?
  4. Erachtet der Bundesrat den im Bericht „Alternierende Obhut in Erfüllung des Postulats RK-N 15.3003“ in Kapitel 2.2.2. vertretenen Standpunkt bezüglich der Einschätzung des Kindeswohls bei alleiniger bzw. alternierender Obhut als hinreichend (empirisch) fundiert und akkurat angesichts aller Forschungsergebnisse?
  5. Teilweise wird geltend gemacht, dass die fehlende Kooperationsbereitschaft der Eltern eine alternierende Obhut ausschliesse. Erachtet es der Bundesrat nicht als problematisch, wenn die Behörden für ihren Entscheid über die alternierende Obhut auf das Kriterium der Kooperationsbereitschaft abstellen, obwohl dadurch einem Elternteil die Möglichkeit eröffnet wird, durch unkooperatives Verhalten die Anordnung einer alternierenden Obhut einseitig zu verunmöglichen?
  6. Welche Möglichkeiten sieht der Bundesrat, um in dieser unbefriedigenden Situation Abhilfe zu schaffen und das Recht des Kindes auf regelmässige persönliche Beziehungen mit beiden Eltern besser zu verwirklichen?
  7. In seinem Bericht vom 8. Dezember 2017 zur alternierenden Obhut hat der Bundesrat verschiedene Wege skizziert, wie diese Situation verbessert werden könnte. Ist er der Ansicht, dass sich die Situation seither tatsächlich verbessert hat?
  8. Ist er bereit, weitere Schritte einzuleiten, um das Recht des Kindes auf regelmässige persönliche Beziehungen mit beiden Eltern weiter zu stärken?
  9. Hat der Bundesrat überprüft, ob die privaten und volkswirtschaftlichen Kosten der alternierenden Obhut tatsächlich höher sind als diejenigen der alleinigen Obhut? Falls ja, was sind die Unterschiede? Falls nein, wäre er bereit dies abzuklären?

Begründung

Am 1. Januar 2017 ist das neue Kindesunterhaltsrecht in Kraft getreten. In diesem Rahmen sind auch die vom Parlament eingefügten Bestimmungen in Kraft getreten, welche die Gerichte und die Kindesschutzbehörden verpflichten, beim Entscheid über die Obhut, den persönlichen Verkehr oder die Betreuungsanteile das Recht des Kindes, regelmässige persönliche Beziehungen zu beiden Elternteilen zu pflegen und bei gemeinsamer elterlicher Sorge auf Antrag eines Elternteils oder des Kindes die Möglichkeit einer alternierenden Obhut zu prüfen (Art. 298 Absätze 2bis und 2ter und Artikel 298b Absätze 3bis und 3ter ZGB).

Das Parlament war sich einig: Die alternierende Obhut muss gefördert werden. Seit dem Bericht „Alternierende Obhut in Erfüllung des Postulats RK-N 15.3003“ ist einige Zeit vergangen. Es gibt kaum Quellen, die Rückschlüsse über die Verbreitung der alternierenden Obhut in der Schweiz zulassen.

Im Jahr 2018 existierten rund 60 quantitative und 10 qualitative Studien, welche das Wohlbefinden von Kindern in der alternierenden Obhut mit demjenigen von Kindern in der alleinigen Obhut verglichen haben. Kindern in der alternierenden Obhhut ging es klar besser und zwar selbst bei mangelhafter Kooperation, Konflikten oder tieferem Einkommen. Der Bericht „Alternierende Obhut in Erfüllung des Postulats RK-N 15.3003“ und die dafür in Auftrag gegebene „interdisziplinäre Studie“ gehen allerdings kaum auf die Ergebnisse der empirischen Forschung und deren Bedeutung ein.

Verschiedene Kreise erwägen, dass die alternierende Obhut teurer sei als die alleinige Obhut. Die alternierende Obhut fördert jedoch die Erwerbstätigkeit beider Eltern. Arbeiten beide Eltern, reduziert sich das Armutsrisiko der Kinder um ein Vielfaches. Zudem sind Kinder und Eltern in einer alternierenden Obhut i.d.R. zufriedener und gesünder als in einer alleinigen Obhut.

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