Was, wenn der Preis unseres Konsums den effektiven Kosten entspräche? Ein Blick in eine mögliche Zukunft der Klimapolitik.
Stellen wir uns vor, ich gehe in einen Gemüseladen und kaufe ein Kilogramm Avocado. Der Preis der Avocado beinhaltet dabei nicht «nur» die Kosten des Anbaus, des Transports und der Lagerung, sondern auch die Kosten des CO2-Ausstosses sowie weitere externe Kosten, die heute nicht im Preis inkludiert sind, wie die Luftverschmutzung oder der Verlust an Biodiversität.
Wahrscheinlich wäre der Preis eines Kilogramms Avocado um einige Schweizer Franken höher, und ich würde mir überlegen, ob ich vielleicht nicht lieber ein Kilogramm frische Erdbeeren aus dem Kanton Zürich kaufen möchte.
Werden nicht alle Kosten eingepreist oder wird der Preis durch Subventionen künstlich tief gehalten, kommt es zu einem Überkonsum.
Der Preis steuert unser Konsumverhalten. Dabei ergibt sich der Preis eines Produkts aus dem Angebot und der Nachfrage. Ist etwas günstig, kaufen wir es mehr. Ist etwas teuer, sinkt unsere Nachfrage. Werden aber nicht alle Kosten eingepreist oder wird der Preis eines Produkts durch Subventionen künstlich tief gehalten, kommt es zu einem Überkonsum: Wir konsumieren mehr, als eigentlich nachhaltig ist. Das ist eine Verschwendung von Ressourcen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht gar ein Marktversagen.
Oder andersrum: Verursachen Produkte wie Avocados hohe externe Kosten – zum Beispiel ausgetrocknete Böden aufgrund des hohen Wasserbedarfs –, dann sollten sich diese auch im Preis widerspiegeln. Das ist ehrlich und führt zu einem nachhaltigen Konsum.
Das Phänomen der Ressourcenverschwendung sehen wir heute nicht nur im Bereich der Lebensmittel, sondern gerade auch in der Mobilität. So deckt der motorisierte Individualverkehr trotz verschiedener Abgaben nicht alle seiner extern verursachten Kosten. Das verursacht Fehlanreize und nicht selten auch Staus, wo keine sein müssten, wenn die Kosten verursachergerecht getragen würden.
Ich bin ein grosser Fan des öffentlichen Verkehrs. Wir müssen uns aber bewusst sein, dass gerade in Regionen, in denen der Regionalverkehr ein grosses Angebot aufweist, das (zu) wenig genutzt wird, oder bei schlecht ausgelasteten Intercity-Verbindungen auch eine Verschwendung stattfindet. Eine Verschwendung, die von der öffentlichen Hand – also von uns allen – finanziert wird.
Der öffentliche Strassenverkehr, zu dem das Bundesamt für Statistik fahrplanmässig verkehrende Busse und Trams zählt, kostet jährlich gut 4 Milliarden Franken. Davon kommen die Verkehrsnutzenden für 1,9 Milliarden und die öffentliche Hand für 2,1 Milliarden auf. Das heisst: Mit unseren Fahrkarten und Streckenabos kommen wir nicht einmal für die Hälfte der anfallenden Kosten auf.
Es mag unpopulär sein, aber die gesamte Mobilität deckt heute in den meisten Fällen nicht die durch sie verursachten Kosten.
In diesem Beispiel wird die Zersiedelung und somit Verbauung unserer Natur indirekt subventioniert. Denn wer günstig und relativ schnell weite Strecken zurücklegen kann, nimmt einen Arbeitsweg von der Peripherie in die Zentren gerne in Kauf.
Um die Verschwendung zu reduzieren, sollten wir uns Gedanken über Alternativen wie eine Preisdifferenzierung nach Zeiten und Strecken (Mobility Pricing für alle Verkehrsträger) oder in entlegenen Regionen einen öffentlichen Verkehr auf Abruf machen. Ineffiziente Leerfahrten könnten so reduziert werden.
Es mag rechts wie links unpopulär sein, aber die gesamte Mobilität deckt heute in den meisten Fällen nicht die durch sie verursachten Kosten.
Ich bin mir bewusst, dass diese sehr ökonomische Sicht auf die Dinge nicht allem standhalten kann. Namentlich gibt es zum Beispiel politisch festgelegte und demokratisch legitimierte Ziele wie der konsequente Ausbau des öffentlichen Verkehrs, welche der Kostenwahrheit entgegenlaufen. Wichtig ist, sich in diesen Fällen der Fehlallokation unserer natürlichen und finanziellen Ressourcen bewusst zu sein und diese an anderer Stelle auszugleichen.
Denkbar wäre eine gezielte Unterstützung für Menschen mit einem tiefen Einkommen; beispielsweise in Form von negativen Einkommenssteuern.
Eine möglichst konsequente Bepreisung der externen Kosten hat unweigerlich zur Folge, dass Produkte teurer werden. Steigende Produktpreise können zwar den willkommenen Effekt haben, dass wir vermehrt CO2-arm produzierte Produkte kaufen. Sie schmälern aber auch die Kaufkraft von Menschen, die bereits heute am Ende des Monats wenig übrig haben. Deshalb ist es nichts als konsequent, die Mehreinnahmen aus der Internalisierung externer Kosten direkt an die Bevölkerung zurückzuerstatten.
Ebenfalls denkbar wäre eine gezielte Unterstützung für Menschen mit einem tiefen Einkommen; beispielsweise in Form von negativen Einkommenssteuern. Das heisst: Der zu bezahlende Steuerbetrag wird reduziert, indem ein Betrag X direkt mit der Einkommenssteuerschuld verrechnet wird. In einem Gemüseladen, der sämtliche externen Kosten berücksichtigt, wären die Avocados aus Südamerika in Zukunft einiges teurer als die frischen Erdbeeren aus dem Kanton Zürich. Ich würde dabei aber die effektiven Kosten tragen, die mein Konsum verursacht.
Das ist nichts als fair, oder?