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Strombaronen den Stecker ziehen

Was wäre, wenn Frau und Herr Schweizer selbst entscheiden könnten, über wen sie ihren Strom beziehen? Ein Blick in die Zukunft der Schweizer Stromversorgung.

In den kommenden Tagen erhalten alle Haushalte den Bescheid, wie viel ihr Strom im kommenden Jahr kosten wird. Dagegen wehren kann sich aber niemand. Heute sind Frau und Herr Schweizer an den Stromanbieter der Wohngemeinde gebunden und damit den Entscheiden lokaler Behörden ausgeliefert. Das ist unsinnig und muss geändert werden.

Das Schweizer Politverständnis ist, dass Bürgerinnen und Bürger mündig sind und Verantwortung für sich und ihr Umfeld wahrnehmen sollen. Eine Ausnahme findet sich im Strommarkt. Durch das System der sogenannten Grundversorgung sind 99,2 Prozent der über fünf Millionen Stromverbraucher in der Schweiz gesetzlich gezwungen, den Strom bei ihrem lokalen Netzbetreiber zu vordefinierten Preisen zu beziehen. Nur ein paar wenige Firmen, die zu den Grossverbrauchern zählen, können ihren Strom selbst einkaufen, wenn sie das denn wollen.

Dieses System war ursprünglich nicht so geplant: Vielmehr ist die Schweiz bei der Strommarktöffnung einfach auf halbem Weg stehen geblieben. Bereits 2007 hatte die Europäische Union ihren Strommarkt geöffnet. Die Schweiz wollte es langsamer angehen und den Markt in zwei Schritten öffnen: zuerst 2009 für die Grossverbraucher und dann später für alle anderen. Doch der zweite Öffnungsschritt lässt bis heute auf sich warten. Deshalb steckt unser Land seit nunmehr 14 Jahren in einer Zwischenlösung fest.

«Es ist schwer verständlich, warum wir zum Beispiel den Handyanbieter selbst wählen dürfen, der Staat uns aber beim Strom in den Schoss der lokalen Grundversorger zwängt.»

Viele Gründe sprechen dafür, den Strommarkt endlich für alle zu öffnen. So zeigen Prognosen zum langfristigen Stromverbrauch nur in eine Richtung: nach oben. Damit werden die Strompreise immer mehr zu einer Belastung; für Haushalte wie auch für das Gewerbe. Gleichzeitig leisten wir uns in der Schweiz ein veritables «Zombie-System» mit über 600 Energieversorgungsunternehmen, die durch die Einnahmegarantie aus der Grundversorgung künstlich am Leben gehalten werden.

Die Gewerkschaften und andere Gegner der Liberalisierung behaupten, ein offener Markt gefährde die Versorgungssicherheit und treibe den Preis nach oben. Dabei ist das Gegenteil zutreffend. Es liegt dabei auf der Hand, dass man heute mit durchschnittlich unter 15’000 Kunden kaum effizient wirtschaften kann. Beispiele dafür sind die vielen eklatanten Fehler beim Einkauf, vornehmlich bei kleinen Grundversorgern. Durch die Medien ging das Beispiel der Gemeinde Saint-Prex, wo die Hiobsbotschaft einer 1600-prozentigen Preiserhöhung die Menschen letztes Jahr verunsichert hatte.

Es stimmt zwar, dass ein Teil der Haushalte und KMU letztes Jahr kurzfristig besser von den Strompreisanstiegen als die Grossverbraucher auf dem freien Markt abgeschirmt waren. Aber die Rechnung kommt nun mit Verzögerung und aller Härte. Mittlerweile sind die Preise in der Grundversorgung im Schnitt mehr als 90 Prozent höher als noch vor zwei Jahren. Angesichts der hohen und immer weiter steigenden Strompreise können wir uns dieses ineffiziente System schlicht nicht mehr leisten.

Ein weiteres Argument für die Öffnung ist die Integration in den europäischen Strommarkt. Sie ist zentral für die Versorgungssicherheit der Schweiz. Der Grund dafür ist, dass das europäische Stromnetz wie eine Art Versicherung für uns funktioniert, ohne die wir sehr teure Doppelspurigkeiten aufbauen müssten. Eine Studie der ETH im Auftrag des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse hat kürzlich errechnet, dass uns ein Stromabkommen bis 2050 über 50 Milliarden Franken einsparen würde. Die EU will ein solches Abkommen mit uns aber nur abschliessen, wenn wir den Strommarkt öffnen. Zudem verlangt sie, dass die offenen institutionellen Fragen im bilateralen Verhältnis geklärt werden.

Staatspolitisch ist es in jedem Fall bedenklich, dass uns der Staat offensichtlich die Entscheidung, wo wir unseren Strom einkaufen wollen, nicht zutraut. Es ist schwer verständlich, warum wir zum Beispiel den Handyanbieter selbst wählen dürfen, der Staat uns aber beim Strom in den Schoss der lokalen Grundversorger zwängt.

Was wäre also, wenn Herr und Frau Schweizer selbst entscheiden könnten, wo sie ihren Strom kaufen? Wir hätten günstigeren Strom, bessere Karten mit Europa und würden endlich auch im Strommarkt frei entscheiden können.

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