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Wir sollten die Gesundung honorieren

Was, wenn wir endlich die Qualität in den Fokus unseres Gesundheitssystems rücken? Ein Blick in eine Zukunft mit tieferen Krankenkassenprämien.

Mein Vater ist 63 Jahre alt. Wie viele Menschen in diesem Alter musste auch er sein Hüftgelenk operieren lassen. Pro Jahr werden in der Schweiz über 10’000 solcher Operationen durchgeführt. Dabei erfolgt die Vergütung an das Spital nach einer sogenannten Fallpauschale, die einen Durchschnittswert für stationäre Behandlungen darstellt, und nach einem Preis, der von Spital zu Spital variiert.   

Die Vergütung für ein neues Hüftgelenk beträgt ca. 15’000 Franken pro Operation. Wenn dabei eine Wundinfektion auftritt, wird die Operation höher vergütet (ca. 27’000 Franken). Bei Spitälern, die mehr Infektionen aufweisen, steigen damit auch die Umsätze.  

Dabei sind die Qualitätsunterschiede zwischen den Schweizer Spitälern gross. Während ein Spital im Aargau bei 200 Operationen für eine Hüftgelenkprothese eine Infektionsrate von 3,3% ausweist, beträgt sie bei einem anderen Spital in der Ostschweiz bei über 250 Operationen 0,3%. Natürlich hängt die Komplikationsrate auch damit zusammen, welche Art von Patienten mit welchen Risiken ins Spital eintreten und behandelt werden. Aus den Qualitätszahlen des Bundesamts für Gesundheit zeigt sich aber klar: In der Tendenz weisen diejenigen Spitäler eine höhere Qualität auf, die mehr Operationen derselben Art durchführen. Das erstaunt nicht.

Wer die steigende Prämienlast in den Griff bekommen will, muss die Qualität der Behandlung in den Fokus rücken, nicht die Kosten.

Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsbereichen wie beispielsweise dem Baugewerbe, wo man eine Qualitätsgarantie erhält und eine schlechte Qualität eine Preis- und/oder Umsatzeinbusse zur Folge hat, ist dies allerdings im Gesundheitswesen meistens nicht der Fall. Im Gegenteil: Man verdient mehr, wenn mehr Behandlungen durchgeführt werden.

Unser Gesundheitssystem ist somit von der Menge (Anzahl der Leistungen) und nicht vom Resultat (Qualität der Behandlung) gesteuert und finanziert. Kein Wunder, dass die Kosten stetig zunehmen, weil immer mehr Leistungen erbracht werden (die sogenannte Mengenausweitung). Weder die Versicherten noch die Leistungserbringer (Ärzte, Spitäler et cetera) haben im aktuellen System einen grossen Anreiz, kostenbewusster mit den Ressourcen und damit mit unseren Krankenkassenprämien und Steuern umzugehen.  

Wenn wir die steigende Prämienlast in den Griff bekommen wollen, müssen wir darum die Qualität der Behandlung und nicht die Kosten in den Fokus rücken. Das tönt zunächst widersprüchlich. Doch es gilt: Je höher die Qualität, desto weniger Folgeerkrankungen treten auf und desto gesünder ist die Schweizer Bevölkerung. Und damit sinken die Kosten. Auch angesichts des Mangels an Gesundheitsfachpersonen ist dieser Fokuswechsel dringend.

Stellen wir uns vor, neu würde die Vergütung einer Hüftoperation davon abhängig gemacht werden, ob das Behandlungsziel erreicht wird, etwa ob der Patient nach der Operation wieder schmerzfrei gehen kann. Dabei müsste der Schweregrad der Begleiterkrankungen des Patienten berücksichtigt werden. Nicht Rosinen picken, sondern auch die Behandlung von schwierigen Fällen soll belohnt werden. Wer die Arbeit gut macht und keine Zusatzbehandlungen verursacht, hätte so eine höhere Marge. Der Leistungserbringer, der aufgrund von nachträglichen Komplikationen Zusatzbehandlungen machen müsste, könnte diesen zusätzlichen Aufwand nicht mehr in Rechnung stellen. Mit sogenannten Pauschalen pro Krankheitsbild würde der Anreiz für eine Behandlung, die langfristig zur Genesung führt, steigen.

Wenn man den Qualitätsfokus zu Ende denkt, so können auch neue Netzwerke entstehen, in denen die Krankenversicherer zusammen mit den Leistungserbringern am gleichen Strick ziehen. Es gibt im Ausland Modelle, in denen für eine bestimme Anzahl Personen eine pauschale Vergütung geleistet wird und die Leistungserbringer mit diesem Geld sicherstellen müssen, dass die Bevölkerungsgruppe so gesund wie möglich bleibt. In der Schweiz wagt die Visana-Gruppe mit dem Swiss Medical Network im Berner Jura einen Versuch, die koordinierte Versorgung zu stärken.

Der konsequente Fokus auf die Qualität wird hoffentlich dazu führen, dass in weniger Spitälern mehr und bessere Behandlungen durchgeführt werden. Die Kantone können sich – wie dies heute vereinzelt bereits getan wird – zu Gesundheitsregionen formieren und gemeinsam definieren, wo welcher Fokus gelegt werden soll. Verschiebt man den Anreiz weg von «immer mehr» hin zu «immer besser» und von «so viel wie möglich» hin zu «so viel wie nötig», lindert dies unsere Prämienlast.  

Wenn mein Vater in Zukunft nochmals eine Operation haben wird, wird er zuerst die Qualitätsstatistik der Schweizer Spitäler konsultieren. Er würde ein Spital wählen, das in der Vergangenheit eine einwandfreie Qualität vorgewiesen hat, was in der Konsequenz zu tieferen Kosten führen wird. 

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