Sparen im Gesundheitswesen Brisanter Vorschlag aus dem Nationalrat: Die Krankenversicherer sollen die Daten der Versicherten besser nutzen können – etwa um ihnen medizinische Ratschläge zu geben.
von Fabian Renz
«Hier spricht Ihre Krankenkasse. Wir haben anhand unserer Daten festgestellt, dass Sie zu viele Medikamente einnehmen. Zudem sind einige Ihrer Arzneien nicht miteinander kompatibel. Sie schaden damit Ihrer Gesundheit.»
So ungefähr könnte es sich anhören, wenn künftig jemand von der Krankenversicherung anruft – zumindest falls es nach den Plänen der nationalrätlichen Sozial- und Gesundheitskommission (SGK) geht.
Die Kommission hat sich diese Woche mit einem so alten wie ungelösten Problem beschäftigt: den steigenden Gesundheitskosten, die ihrerseits die Krankenkassenprämien immer weiter nach oben treiben. Auf dem Tisch lag ein «Kostendämpfungspaket» von Gesundheitsminister Alain Berset (SP), das die Schaffung neuartiger Netzwerke vorsah: Indem sich die verschiedenen Gesundheitsberufe untereinander besser koordinieren, sollten sie für tiefere Kosten sorgen. Diesen Ansatz hat die SGK nun aber vom Tisch gewischt. Die bürgerliche Mehrheit des Gremiums setzt stattdessen auf eine Reihe anderer Massnahmen. Darunter erweiterte Rechte für die Krankenversicherer.
«Im Interesse der Patienten»
Konkret schlägt die SGK vor, dass die Kassen künftig von ihrem Datenschatz aktiveren Gebrauch machen können. Sie dürften demnach ihre Daten dazu verwenden, die Versicherten «individuell über mögliche Einsparungen oder passendere Versorgungsmodelle zu informieren», wie es in der SGK-Mitteilung von gestern heisst. Stellt also eine Kasse anhand der Abrechnungen beispielsweise fest, dass eine Patientin zu viel Schmerzmittel nimmt, kann sie diese anrufen und ihr zur Mässigung raten.
«Die Krankenkassen verfügen über sehr viele Daten ihrer Versicherten», sagt der Zürcher FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt. Es mache Sinn, dass die Versicherer diese Daten «im Interesse der Patienten besser nutzen können als heute» – also beispielsweise zur individuellen Beratung.
Kritisch ist dagegen die Berner SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen. «Krankenkassen sind keine medizinischen Institutionen», gibt sie zu bedenken. Überdies könnten die Kassen dank der Daten aus der Grundversicherung «ihr Business mit den Zusatzversicherungen optimieren».
Wasserfallen bedauert es, dass der Wille fehlte, die vom Bundesrat vorgeschlagenen Netzwerke zu schaffen. «Das hätte die Ärzteschaft entlastet, die Effizienz und die Qualität gesteigert. Stattdessen sollen die Krankenkassen mehr Macht erhalten.» Silberschmidt dagegen ist der Ansicht, dass der bundesrätliche Vorschlag bloss «das Gesundheitswesen weiter verstaatlichen» würde.
Weitere Vorschläge
So oder so werden neben den neuen Kompetenzen der Kassen noch andere SGK-Beschlüsse zu reden geben:
- Wer Prämien sparen will, soll die Möglichkeit erhalten, Mehrjahresverträge mit seiner Versicherung abzuschliessen. Das heisst, man würde sich beispielsweise für fünf Jahre an eine Kasse binden und dafür von Rabatten profitieren. Die SGK wird die Idee in Form einer Motion einbringen.
- Die Kommission stärkt die Apothekerinnen und Apotheker: Ihnen will man erlauben, zusätzliche ärztliche Leistungen zulasten der Grundversicherung abzurechnen. Welche das genau sein werden, ist noch nicht klar.
- Um bestimmte Medikamente schneller zugänglich zu machen, schlägt die SGK ein neues Preismodell vor. Sobald demnach die Heilmittelbehörde Swissmedic eine Arznei zugelassen hat, würde diese während 24 Monaten zu einem provisorischen Preis vergütet – bis dann der Bund einen definitiven Preis festlegt. Aus Sicht der SGK-Mehrheit wäre damit gewährleistet, dass es keine langen Wartezeiten mehr gäbe, bis die Krankenkassen dringend benötigte Medikament bezahlen. Kritiker fürchten dagegen, dass dieses System zu überhöhten Preisen führen könnte.
Die Beratungen über das Kostendämpfungspaket als Ganzes sind noch nicht abgeschlossen. Die SGK wird sie an einer nächsten Sitzung weiterführen.