Laut dem FH-Schweiz-Präsidenten spricht viel für ein praxisorientiertes Doktorat an den Fachhochschulen.
Interview: Matthias Niklowitz
Wo stehen wir in der Diskussion zum dritten Zyklus, also zu einem PhD oder einem Doktorat – sprich, zu den Promotionsmöglichkeiten an den schweizerischen Fachhochschulen?
Eine breite politische Diskussion dazu findet gegenwärtig nicht statt. Wir sind da auch sehr vorsichtig, denn wenn ein Vorschlag im Parlament abgelehnt wird, sind die Türen geschlossen. Wir möchten zunächst die Diskussion zwischen den Fachhochschulen und den Universitäten voranbringen und einen gemeinsamen Vorschlag unterbreiten. Im Moment möchten wir den dritten Zyklus mit verschiedenen Möglichkeiten weiter ausbauen, etwa mit dem DBA (Doctor of Business Administration, einem anwendungsorientierten Doktortitel) – oder mit dem Kooperationsmodell zwischen Fachhochschulen und Universitäten, mit dem man gute Erfahrungen gesammelt hat.
Sie haben zu dem Thema auch eine Umfrage vorgenommen, die ausgewertet wird.
Diejenigen, die das Kooperationsmodell durchlaufen haben, sind zufrieden damit. Das Modell wird aber nicht landesweit gelebt. So weichen beispielsweise viele für die Promotion auf Universitäten in Österreich oder in Grossbritannien aus. Die Nachfrage nimmt stetig zu, aber einige Studienrichtungen, zum Beispiel im Gesundheitswesen, in der Musik oder Kunst, werden an schweizerischen Universitäten gar nicht erst angeboten. Gut wäre es, wenn noch mehr Universitäten in der Schweiz beim Kooperationsmodell mitmachten und dadurch weitere Fachbereiche hinzukämen.
Wenn man den dritten Zyklus an den Fachhochschulen einführen möchte – welche Absolventinnen und Absolventen werden damit «produziert»?
Wir denken da zunächst an den ganzen Lehrkörper der Fachhochschulen. Sie haben in der Schweiz bisher den grossen Nachteil, dass sie den Lehrkörper nicht selber ausbilden können, da es kein Promotionsrecht an Fachhochschulen gibt. So müssen vermehrt Personen mit einem PhD – Doctor of Philosophy, Philosophiae Doctor – aus dem Ausland rekrutiert werden. Wir möchten ermöglichen, dass der Fachhochschullehrkörper an Schweizer Fachhochschulen ausgebildet werden kann. Es gibt Bereiche in der Kunst und der Musik, wo ein PhD wichtig ist. Zudem sehen wir auch eine Nachfrage aus der Wirtschaft. Es kommen fundamentale Veränderungen der Arbeit hinzu: das Aufkommen der künstlichen Intelligenz, die Zunahme der Spezialisierung. Diese Entwicklungen sprechen für ein Doktorat, das praxisorientiert ist.
Ist denn eine Pause von einem oder zwei Jahren, in denen man die Dissertation verfasst, ein Problem mit beziehungsweise in der Wirtschaft?
Es gibt im Ausland Modelle, wie ein PhD auch berufsbegleitend in drei, vier Jahren gemacht werden kann. Letztlich geht es auch um den Abschluss der Bologna-Reform an Fachhochschulen, denn sie sieht drei Zyklen vor.
Aus Ihrer Sicht: Was fehlt den Fachhochschulen, um den dritten Zyklus abzudecken?
Zunächst fehlt es an Erfahrung im Umgang mit den Doktorierenden. Der eigene Lehrkörper ist nicht an der eigenen Einrichtung ausgebildet worden, der kommt von Universitäten. Das kann sich erst ändern, wenn man den Fachhochschulen das Promotionsrecht gewährt. So oder so – die Fachhochschulen müssten bei der Einführung eines dritten Zyklus einiges von den Universitäten lernen.
Spüren Sie Widerstände?
Wenn wir auf der Seite der Fachhochschulen mit den Universitäten sprechen, dann geht es vor allem um Detailfragen. Da kommen keine grundsätzlichen Widerstände. Anders ist das in der Politik. Da wird die Frage nach akademischen Titeln teilweise konservativer betrachtet. Man will den «Doktortitel» nicht inflationär vergeben und hat deshalb Vorbehalte zum Wert eines solchen Titels, wenn er von einer Fachhochschule vergeben wird. In der Praxis hat man aber bereits Transparenzregelungen auf den Stufen Bachelor und Master getroffen. Hier wird jeweils gekennzeichnet, ob man den an einer Fachhochschule oder an einer Universität gemacht hatte.
Welche Vorteile hat eine Fachhochschule, wenn sie den dritten Zyklus abdecken kann?
Es ist eine bessere Schärfung der Profile von Universitäten und Fachhochschulen möglich. Heute sehen wir zunehmend eine Vermischung. Eine Schärfung würde bedeuten, dass sich die Universitäten auf wissenschaftliche Forschungen konzentrieren und die Fachhochschulen die angewandte Forschung ins Zentrum stellen. Jeder konzentriert sich dann dabei auf seine eigenen Stärken. Es gibt Bereiche in der Wirtschaft, in denen die Unterschiede gezielt gesucht und begrüsst werden. So beispielsweise in der Pharmabranche. Plakativ kann man sagen: Für die Erforschung neuer Medikamente sind Universitätsabgängerinnen und -abgänger gefragt, bei der Umsetzung und Skalierung sucht man Fachkräfte, die von Fachhochschulen kommen. Diese setzen das um, was aus den Forschungslabors kommt.
Was sind die nächsten Schritte in der Diskussion?
Alle vier Jahre verabschiedet der Bundesrat seine Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation (BFI) und überweist sie ans Parlament. Hier werden die Prioritäten festgelegt, nach denen zukünftig das Geld ausgeben werden soll. Die nächste Botschaft (2025 bis 2028) ist bereits in der Ausarbeitung. Wir haben das Ziel, da das Kooperationsmodell zu stärken. In die darauffolgende Botschaft (ab 2029) soll der dritte Zyklus an den Fachhochschulen integriert werden. Idealerweise haben wir dann die Möglichkeit, dass auch an den Fachhochschulen der Doktortitel erworben werden kann. Für die Politik ist das übermorgen – für die Wissenschaft und Wirtschaft hingegen noch eine lange Zeit bis dahin.
Und denken Sie selber darüber nach, einen PhD-Titel zu erwerben?
Ich habe kurz vor der Pandemie meinen Master-Abschluss an einer Universität in London gemacht. Dort gibt es ein attraktives Modell, bei dem man einen PhD in vier Jahren berufsbegleitend machen kann. Im ersten Jahr muss man dafür vier Wochen, in den Folgejahren jeweils drei Wochen in London präsent sein. Ein solches PhD-Modell würde mich schon reizen.
Fachhochschule Graubünden: Sie gibt ihren Absolvierenden mit, dass das Studium Teil ihres lebenslangen Lernwegs ist und dessen Pflege zentral ist. Von ehemaligen Studierenden erhält die FHGR immer wieder wichtige Feedbacks; sie fliessen in die Weiterentwicklung des Angebotsportfolios ein.