Online-Sendungen liegen im Trend. Parteien, Medien und Unternehmen kämpfen um die Aufmerksamkeit der Zuhörer. Dass gerade Politiker auf den Podcast-Hype aufspringen, hat nicht nur hehre Gründe.
von Thomas Müller
Ist es interessant, dass FDP-Vizepräsident Andri Silberschmidt (29) manchmal Salat ohne Sauce isst? Der Nationalrat und freisinnige Hoffnungsträger hat es in seinem Podcast «Lustig, frögsch» zum Thema gemacht. Dieses Onlineformat, das Silberschmidt mit «SRF 3 Best Talent Comedy»-Gewinnerin Reena Krishnaraja (20) betreibt, macht alles Mögliche zum Thema – nur nicht die Politik. Dafür gibts ein eigenes Format.
Podcasts – Audio-, teils auch Videoangebote, die auf Abruf verfügbar sind – kommen in den letzten zwei bis drei Jahren aus allen Bereichen der Gesellschaft. Obwohl niemand so genau weiss, was ihre Attraktivität eigentlich ausmacht, erfreuen sich Podcasts steigender Beliebtheit. Nach Erkenntnissen des Forschungszentrums für Öffentlichkeit und Gesellschaft verfolgt mehr als die Hälfte der 18- bis 34-Jährigen zumindest gelegentlich diese digitalen Sendungen.
Von der menschlichen Seite zeigen
Im Vergleich mit anderen Medien haben Podcasts eine eher geringe Reichweite. Doch wer sie verfolgt, lauscht geduldig und aufmerksam: 80 bis 90 Prozent konsumieren sie von Anfang bis Ende. Werber gehen davon aus, dass die intime Atmosphäre vieler Podcasts hilft, Sympathien des Publikums zu gewinnen. Kein Wunder, stösst das Format gerade bei Politikern auf offene Ohren.
Silberschmidt hofft, sich mit «Lustig, frögsch» von seiner menschlichen Seite zu zeigen. Immer nur Politik – das könne langweilen. Aktuell erreicht er regelmässig einige Hundert Hörer. Nicht besonders viele, räumt der FDP-Mann ein, aber dafür mit geringem Aufwand: «Es ist nicht meine Absicht, jeden Morgen um 4 Uhr aufzustehen und ein Daily zu produzieren.»
20’000 bis 30’000 Menschen Reichweite für SP-Co-Chefs
Silberschmidt ist nicht der einzige Politiker, der um die Gunst der Podcast-Gemeinde buhlt. Die SP hat mit «Meyer:Wermuth», einen Podcast, in dem sich die Genossen-Co-Chefs gegenseitig zustimmen. Über alle Kanäle hinweg erreichten die beiden damit jeweils 20’000 bis 30’000 Menschen, heisst es bei der SP. In der letzten Woche starteten sie ein Pendant in der Romandie. Entsprechend grösser ist auch der Aufwand. Parteipersonal arbeitet an den Sendungen, auf Social Media weist bezahlte Werbung auf den Podcast hin.
Die Grünen, die Junge Mitte und die Jusos haben ebenfalls eigene Sendungen, wenn auch kaum von vergleichbarer Grösse. Die GLP ist nicht im Rennen. Man habe es sich aber überlegt, so Co-Generalsekretärin Julie Cantalou (38). Bei den Grünliberalen scheiterte die Idee an fehlenden Ressourcen.
Christoph Blocher war einer der Ersten
Die SVP bietet keinen eigentlichen Podcast an. Doch Christoph Blocher (82) darf in der Schweiz als Pionier von Sendungen gelten, die nur einem Politiker gewidmet sind. Sein Onlineformat «Teleblocher» startete 2007, nachdem der SVP-Doyen aus dem Bundesrat abgewählt wurde. Damit könnte er sogar weltweit einer der Ersten gewesen sein. Mehr als 10’000 Menschen schauen ihm wöchentlich auf Youtube und der Website zu. Zudem wird das Talk-Format im Schaffhauser Fernsehen übertragen. Blocher ist nicht mehr der Einzige: SVP-Nationalrat Thomas Matter (56) sendete bereits die 218. Folge seines Videopodcasts «In den Sümpfen von Bern».
Obwohl diesen Grund niemand offiziell anführt, könnte den Podcast-Boom in der Politik auch erklären, dass man im eigenen Podcast erzählen kann, was man will – unabhängig davon, was unabhängige Journalisten fragen. Zum Beispiel, dass man Salat ohne Sauce isst.