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Jahrelang Arbeitslosengelder bezahlt – und trotzdem kein Anspruch

Unternehmerinnen und Unternehmer zahlen in der Schweiz monatlich in die Arbeitslosenkasse ein – haben dann aber im Ernstfall keinen Anspruch aus Hilfe darauf. Ein Betroffener kämpft seit Jahren gegen die Ungerechtigkeit. Jetzt kommt Bewegung in die Sache.

von Sophie Reinhardt

Seit 13 Jahren streitet François Cochard (52) darum, Arbeitslosengeld zu bekommen, erst juristisch, nun auf politischem Weg.

Er hatte mit vier Kollegen eine GmbH gegründet, die Kulturveranstaltungen organisierte. Als Geschäftsführer zahlte er während mehrerer Jahre in die Arbeitslosenversicherung (ALV) ein.

Doch dann laufen die Geschäfte nicht mehr nach Businessplan. Nach einem Unglück bei der Loveparade in Duisburg 2010 entzieht ihm die Feuerpolizei die Bewilligung für ein von ihm geplantes Festival – und das wenige Wochen vor dem Start. Cochard sieht keine Zukunft mehr in seinem Job. Denn er ist sich sicher, dass das Festival auch in den kommenden Jahren nicht zustande kommt – und gibt seine Stelle auf.

Der Unternehmer meldet sich daraufhin arbeitslos. Dann die böse Überraschung: Die Arbeitslosenkasse lehnt sein Gesuch ab. Selbst ein einfaches Beratungsgespräch wird ihm verwehrt.

Begründung: Cochard habe sich in einer sogenannten arbeitgeberähnlichen Stellung befunden. Einem massgeblich beteiligten Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH steht kein Arbeitslosengeld zu. Denn er übe in seiner Funktion direkten Einfluss auf die Firmenentscheide aus.

«Ich stand vor dem Nichts, ich habe mein Erspartes in meine Firma investiert», erzählt er. «Ich habe in dem Moment nicht gewusst, wie ich meine Einkäufe bezahlen soll.»

Das Gericht gab ihm erst recht

Mit der bis anhin geltenden Regel soll verhindert werden, dass Sozialleistungen missbraucht werden. Mit anderen Worten: Unternehmer sollen in schwierigen Zeiten nicht sich selbst kündigen, Arbeitslosengeld beziehen, um dann die Firma bei verbesserter Auftragslage wieder zu aktivieren.

Er ging vor Gericht. Verteidigen musste er sich aber selbst, weil Juristen die Aussicht auf einen Erfolg als zu klein einschätzten. Dennoch errang er einen Teilerfolg. Das Gericht sagte, Cochard hätte alles richtig gemacht, um seinen Einfluss als Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH aufzugeben. Und habe folglich Anspruch auf Leistungen der ALV. Der Kanton Zürich zog das Urteil jedoch an das Bundesgericht weiter. Dieses drehte die Sachlage wieder.

«Das ist unfair»

Doch Cochard liess nicht locker und suchte den Kontakt zur Politik – obwohl er inzwischen längst wieder eine Arbeit gefunden hatte. Er will das ungerechte System korrigieren. Ein Kollege nennt ihn gar «Robin Hood der KMU». Cochard selbst findet den Titel treffend.

Auch FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt (29) erkannte eine Ungerechtigkeit im heutigen System: «Mehrere Hunderttausend Personen zahlen in die Versicherung ein, ohne sie beanspruchen zu können. Das ist unfair», sagt er zu Blick. Natürlich gehe man mit einer Firmengründung ein unternehmerisches Risiko ein. «Aber wenn man scheitert, braucht es ein soziales Netz, das die Leute auffängt.»

Bereits 2017 hatte GLP-Nationalrat Jürg Grossen (53) nach Gesprächen mit Cochard dem Bundesrat vorgeschlagen, er solle das Gesetz anzupassen. Doch die Regierung sieht und sah bis heute keinen Änderungsbedarf: Die ALV sei eine Arbeitnehmerversicherung, für die Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung die Voraussetzungen nicht erfüllen.

2019 wurde Grossens Vorstoss zu Altpapier, weil das Parlament diesen nicht innerhalb zweier Jahre bearbeitete.

Neuer Vorschlag

Die zuständigen Kommissionen in Ständerat und Nationalrat haben Silberschmidts Vorstoss, der auch eine Gesetzesänderung fordert, nun aber zugestimmt. Die Vorlage kommt Mitte August in die Vernehmlassung.

Diese sieht vor, dass Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung doch Arbeitslosenentschädigung erhalten. Konkret sollen sie nach einer Wartezeit Anspruch auf Gelder erhalten, sofern sie nicht mehr angestellt und nicht Mitglied des Verwaltungsrates sind.

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