Seit Jahren nimmt die AHV/Altersvorsorge im Credit Suisse Sorgenbarometer einen der obersten Plätze ein. Was in den meisten Fällen ein Qualitätsmerkmal ist, ist in diesem Fall besorgniserregend und drückt den massiven Reformstau aus: Seit 1997 gab es keine strukturelle AHV Reform mehr.
Seit Jahren nimmt die AHV/Altersvorsorge im Credit Suisse Sorgenbarometer eine der obersten Plätze ein. Was in den meisten Fällen ein Qualitätsmerkmal ist, ist in diesem Fall besorgniserregend und drückt den massiven Reformstau aus: Seit 1997 gab es keine strukturelle AHV-Reform mehr.
Dass die AHV einer Reform bedarf, ist endlich auch bei den linken Parteien unbestritten: Während bei Einführung unseres wichtigsten Sozialwerkes auf 44 Erwerbsjahre rund 13 Bezugsjahre folgten, sind es heute (bei gleichbleibenden 44 Erwerbsjahren) ganze 23 Bezugsjahre. Dass dies nicht aufgehen kann, liegt auf der Hand! Hinzu kommen die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge, welche in den kommenden Jahren ihren wohlverdienten Ruhestand erreichen. Unternehmen wir nichts, häuft sich deshalb bis im Jahr 2045 ein Schuldenberg von 200 Milliarden Franken an; das entspricht den Kosten von 16 Gotthard-Basistunneln!
Was unternimmt also die Politik, um der jungen Generation nicht einen immensen Schuldenberg zu hinterlassen und die Altersvorsorge nachhaltig zu sichern?
Seit 2019 befasst sich das Parlament mit der AHV21-Vorlage, einer Reformvorlage zur Stabilisierung der AHV bis ins Jahr 2030. Die AHV21 sieht eine Erhöhung der Mehrwertsteuer sowie die Angleichung des Frauenrentenalters an dasjenige der Männer vor. Letztere strukturelle und hinsichtlich der demografischen Entwicklung notwendigen Massnahme erhitzt die Gemüter und lässt die Parteien links der Mitte in ihre ideologischen Gräben zurückziehen; das Referendum gegen die AHV21-Vorlage ist bereits angekündigt.
Weiter kamen dieses Jahr zwei Volksinitiativen zustande, welche sich der AHV widmen: Einerseits die „Initiative für eine 13. AHV-Rente“ des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, welche die Einführung einer 13. AHV-Rente fordert und zu erheblichen Mehrausgaben führen würde. Andererseits reichten die Jungfreisinnigen ihre „Renteninitiative“ ein, welche strukturelle Massnahmen zur nachhaltigen Sicherung der AHV vorsieht: Die einmalige Erhöhung des Rentenalters auf 66 Jahre für alle Geschlechter und die anschliessende Koppelung des Rentenalters an die Lebenserwartung. Ganz nach dem Grundsatz: «Wer länger lebt, soll länger arbeiten.»
In etwa zwei Jahren darf sich die Stimmbevölkerung also konkret zur Zukunft der AHV äussern. Es ist zu hoffen, dass sie sich im Sinne einer nachhaltigen Sicherung ausspricht und die oberen Ränge im Credit Suisse Sorgenbarometer damit schon bald der Vergangenheit angehören.
Wäre da nicht die 2. Säule! Denn neben der AHV ist auch das BVG reformbedürftig: Seit Jahren kommt es in der 2. Säule zu einer massiven Umverteilung von aktiv Versicherten zu Rentner. Das widerspricht dem Kapitaldeckungsverfahren (jede/r spart für sich selbst) und ist systemwidrig.
Grund der Umverteilung ist der überhöhte gesetzliche Mindestumwandlungssatz von 6,8 Prozent respektive die gestiegene Lebenserwartung und die Reduktion der Erwartungen zu den Anlagerenditen: Das angesparte Alterskapital muss aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung länger ausreichen und wirft auf den Kapitalmärkten weniger Rendite ab. Folglich kann die Jahresrente, welche sich aus dem angesparten Alterskapital und dem Umwandlungssatz ergibt, nicht garantiert werden.
Zur Sanierung der 2. Säule steht aktuell eine bundesrätliche Reformvorlage (BVG21) zur Diskussion, welche die Senkung des Umwandlungssatzes auf 6 Prozent vorsieht. Um das Leistungsniveau zu erhalten, schlägt der Bundesrat die Anpassung der Altersgutschriften, die Absenkung des Koordinationsabzuges sowie die Einführung eines lebenslangen Rentenzuschlages, finanziert über einen Beitrag auf dem AHV-pflichtigen Lohn, vor.
Mit letzterer Massnahme verabschiedet sich der Bundesrat vom bewährten 3-Säulen-System und will einen Rentenzuschlag nach dem Giesskannenprinzip einführen. Dagegen wehrt sich die Sozialkommission des Nationalrats!
In ihrer zweiten Lesung der Reformvorlage stellt sie ein alternatives Modell vor, welches an Stelle des lebenslangen Rentenzuschlages eine Kompensationsmassnahme für eine Übergangsgeneration vorsieht, welche durch Beiträge auf dem koordinierten Lohn – ein Element der 2. Säule – finanziert wird.
Da sich beide Reformen aber noch immer im legislativen Anfangsstadium befinden, dürfte sich die Altersvorsorge leider noch eine Zeit lang in den Topthemen des Credit Suisse Sorgenbarometers halten.